„Ökologische Resilienz ist das Ausmaß der Störung, die ein System aushalten kann, bevor es in einen anderen Zustand übergeht.” (C.S. Holling, 1973)
The Limits of Resilience wird von den Gastkurator*innen Malin Walleser (Medienkünstlerin, Tischlerin) und Felix Gaulhofer (Ökologe) gestaltet. Gemeinsam mit verschiedenen Künstler*innen, Ökolog*innen, Musiker*innen, wissenschaftlich und unwissenschaftlich Forschenden widmen sie sich dem drängenden Thema der Resilienz in sozio-ökologischen Systemen. Es soll ein Ort für kritische Auseinandersetzung und (Er-) Forschung werden. Das Programm umfasst Bildende Kunst wie ortsspezifische Installationen, Aquarelle und Skulpturen, Performances, Konzerte und Sound Art, Diskussionsformate, Artist Talks und Workshops.
Der kanadische Ökologe C.S. Holling definierte 1973 die ökologische Resilienz als das Ausmaß der Störung, die ein System aushalten kann, bevor es in einen anderen Zustand übergeht. Soziale Resilienz beschrieb im Jahr 2000 der britische Humangeograph Neil Adger als die Fähigkeit menschlicher Gemeinschaften, externen Schocks auf ihre soziale Infrastruktur zu widerstehen, wie z.B. Umweltschwankungen oder soziale, wirtschaftliche und politische Umbrüche. Resilienz ist jedoch auch die Fähigkeit, unter Einbeziehung des Wandels weiterzuleben und betont die Notwendigkeit, Veränderung und Anpassung als Grundeigenschaft von Systemen zu akzeptieren um Kontinuität zu wahren, anstatt von Stabilität auszugehen und zu versuchen, Abweichungen davon zu rationalisieren. Wie viel Störung hält ein System aus? Wie weit kann sich ein System anpassen, bevor es eine Abschaffung dessen wird? Wie schnell kann Wandel sein, sodass er noch verträglich ist? Resiliente Systeme sind in der Lage, sich umzustrukturieren und stützen sich auf dynamische Lern- und Entwicklungsprozesse. Um sich die Zukunft vorstellen und neue Narrative entwickeln zu können, braucht es ein Zusammenwirken mit Kunst und Kultur. So kann der Mensch auf die Transformationsreise mitgenommen werden.
Ausstellung
Marie Vermont: Die gemeine Landschaft von Lindabrunn (Bild, Audio)
Jakob Schauer: Sieben Hörner und ein Halbtrockenrasen (outdoor Klanginstallation)
Heidi Trimmel: Solutions I: communication (Interaktive Intervention)
Hannah Todt : The difference between everything (ortsspezifische Installation)
Claudia Rohrauer: Analogue Fieldwork -Workshop und Präsentation pflanzlicher Fotoentwickler
Felix Gaulhofer / Malin Walleser: LB24_context_data (outdoor Installation)
Programm Samstag:
14:00 Eröffnung
14:30 Foto Workshop mit pflanzlichen Fotoentwicklern (Claudia Rohrauer) – begrenzte Teilnehmer:innenzahl, bitte um Voranmeldung bis 21.8. unter post@claudiarohrauer.info
15:00 Naturführung Landschaftspflegeverein
15:00 SOUNA heat wave (Sauna-Klangkunstinstallation: Golden Diskó Ship und Kollektiv RISS) bis 20:00
17:00 My Water is Your Water (Workshop in Art&Activism: Mekhala Dave, EN)
19:00 Abendessen
20:00 Continuum of Resilience (Djonni Laser live)
21:00 Performance (Heidi Trimmel)
22:00 Echoes of Resilience (Nadeshda)
Programm Sonntag:
12:30 Ausstellungs- und Werk-Rundgang
14:00 Aktivismus & Resilienz (Interaktiver Vortrag: Irene Nemeth)
15:00 SOUNA heat wave (Sauna – Klangkunstinstallation: Theresa Stroetges / Wiebke Frerichs / Malin Walleser) bis 18:00
15:30 Symbiotisch werden (Performative Erkundung mit Multispecies-Habitat-Interventionen: Isa Klee)
18:00 Offene Diskussion (mit Heidi Trimmel / Mekhala Dave)
Marie Vermont bezieht sich mit Allmende auf die gemeine Landschaft, die simultan von verschiedenen Lebewesen konsumfrei betreten und belebt werden kann. Insektenlarven neben Autoreifen, Knöterich, Knochen, Beeren, Dosen, Vögeln, Bauschutt und Getier, zwischen Wind, Wetter und Verdrängen. Aus Aufenthalten an diesen öffentlichen, ungestalteten Nicht-Orten entsteht seit 2021 die Allmende-Serie mit mehreren hundert Aquarellen im Klein- und Großformat. Während des Symposions The Limits of Resilience werden auf Basis der Serie eine Reihe von Bildern und eine Audiokassette aus der gemeinen Landschaft von Lindabrunn hergestellt.
Die 7-kanalige Klanginstallation verbindet alle Umgebungsgeräusche das Halbtrockenrasen auf der ehemaligen Gemeindehalt mit einer elektronisch erzeugen Klangstruktur. Das Hörerlebnis erstreckt sich über weite Teile des Geländes, wobei die Verschmelzung synthetischer und “natürlicher” Klänge im Zentrum der Aufmerksamkeit steht.
Sorgfältig gewählte Klänge prüfen die Grenzen der Differenzierbarkeit unserer Wahrnehmung in der ortspezifischen Klanginstallation .
Das Symposion in Lindabrunn ist das größte zusammenhängende Trockenrasengebiet an der südlichen Thermenlinie mit Raritäten wie Fliegen-Ragwurz und Gelb-Lein. Seit 1967 wird das Gelände von Künstlern genutzt, wodurch eine einzigartige Symbiose von Natur und
Kunst entstanden ist und die auch als Erholungsgebiet genutzten Trockenrasen bis heute erhalten blieben.
Website: https://landschaftspflegeverein.at
Heidi Trimmel erstellt eine system-analytische Karte der Mensch-Umwelt Beziehung, in welcher entscheidende Variablen definiert und verknüpft werden. Ausgleichende und verstärkende Kreisläufe werden darin sichtbar. Diese Karte bildet die Diskussionsgrundlage darüber, wo am besten Kräfte fokussiert oder freigesetzt werden sollten, um eine (Wieder-)Verflechtung mit der Natur zu erreichen. Eine Neuverhandlung des Gesellschaftsvertrags, der die Grundlage der modernen Gesellschaft bildet, muss nach Heidis Meinung nach auch die belebte und unbelebte Natur einbeziehen.
Der Aufenthalt in Lindabrunn bietet die Möglichkeit, Resilienz als fluktuierend zu betrachten, und Veränderung nicht im Sinne von Fortschritt zu verstehen, sondern sich auf seine Formbarkeit zu konzentrieren, die nicht unbedingt zielgerichtet ist. Unsere Vorstellungskraft soll durch unwissenschaftliche Forschung und spielerisches Experimentieren mobilisiert werden, um eine Beziehung zu unserer Umwelt zu ermöglichen, die sich jenseits der antagonistischen Beziehung zwischen Nutzbarmachung und Heiligsprechung der Natur bewegt. Improvisierte Gesten formen sich zu einer ortsspezifischen Installation, die auf der bestehenden Landschaft aufbaut, und sich auf die in Lindabrunn vorgefundenen Strukturen und Materialien bezieht.
Workshop und Präsentation pflanzlicher Fotoentwickler
Der Workshop bietet einen Einblick in alternative und nachhaltige Prozesse im analogen Fotolabor. Zentral ist die Eigenschaft von Pflanzen, durch die in ihnen enthaltenen Phenole und Polyphenole als Entwicklersubstanz zu agieren und Silbersalze zu metallischem Silber zu reduzieren. Im Rahmen eines Spaziergangs werden vor Ort wachsende Pflanzen gesammelt, die als Ausgangsmaterial für die Bildproduktion dienen sollen: dabei wird die Technik des Phytogramms vorgestellt, bei der Pflanzen durch direkten Kontakt mit dem Filmmaterial ihr eigenes Abbild in Form eines Silberbilds entwickeln. Im Anschluss wird die Fotodokumentation des Spaziergangs in einer pflanzlichen Lösung entwickelt. Der gemeinsame Prozess mit performativem Charakter eröffnet ein Feld für den Austausch über das Verhältnis von Umwelt, Materialressource und Bildproduktion sowie Abbildendem und Abgebildetem.
Bereits bestehende Vorkenntnisse in der Fotografie sind nicht zwingend vorausgesetzt, können aber von Vorteil sein.
Bitte um Voranmeldung bis 21.8. unter post@claudiarohrauer.info
Daten werden erhoben, aufgehoben, aufgeschoben. Werte zu einem bestimmten Sachverhalt beobachtet, gemessen und strukturiert. Rohdaten systematisiert, analysiert und interpretiert. Der Kontext ist Zweck. Die Verarbeitung ihr Sinn. Subjektive Datenverarbeitung verzerrt. Und wie sieht’s dort aus? Ist es die Utopie, die dort wartet, oder der düstere Untergang? Haben wir es dann zu weit getrieben? Chance verspielt. Der Taumel der Anpassung und die Hysterie des Wandels mögen uns heilen oder vernichten. Vielleicht wissen wir es erst, wenn wir den einen Schritt zu weit gegangen sind.
Künstlerische Aufarbeitung von Daten, die nach wissenschaftlicher Methodik erhoben wurden.
Ein Workshop zu Kunst und Aktivismus
Der Workshop verbindet Praktiken der Kunst und Forschung zu Umweltrecht und zelebriert das Element Wasser: seine symbolische, politische und spirituelle Essenz. In einer Welt, die mit dem Klimawandel konfrontiert ist, ist Wasser unerbittlichen Auswirkungen ausgesetzt. Menschliche Handlungen, von der Kolonialzeit bis zur heutigen Nachlässigkeit neoliberaler Systeme haben zu Verschmutzung, Verunreinigung und Wasserknappheit geführt, die für viele gefährdete Gemeinschaften, die auf Wasser angewiesen sind, eine globale Krise darstellen. Mit der zunehmenden Inanspruchnahme von Eigentum und der Privatisierung wird der Zugang zu Wasser immer mehr eingeschränkt. Auch unsere Beziehung zu Wasser ist gefährdet. Wie können wir unter diesen anthropozentrischen Bedingungen unsere Gewohnheiten ablegen und aktiv werden? Indem wir uns vom Wasser inspirieren und leiten lassen, können wir versuchen, in der Pluralität des Austauschs zu verlernen, wie wir mit dem Wasser fließen können, und in der Durchlässigkeit des Wassers kollektiv über Möglichkeiten
des Widerstands für unsere Wasserkörper – Eis, Flüsse, Seen und Ozeane – nachzudenken, und zwar anhand verschiedener Strategien, die durch aktivistische und künstlerische Praktiken zum Ausdruck kommen. Von der Verwurzelung in lokalen, ortsbezogenen Kämpfen bis hin zu globalen Gemeingütern werden wir auf kritische Momente und Aktivierungen reagieren, die von dem Kunstwerk Loose Harbour (2017) des Künstlers Leo Schatzl umrahmt werden, das die Geschichte des Symposiums in Lindabrunn beim Überqueren in wässerige Welten berührt.
Das Kommunikationszentrum, welches wie ein klassisches Amphitheater aus Natursteinen wirkt, soll die Bühne und somit der Erfahrungsraum für die Live Performance unter freiem Himmel sein. Sichtbar aber dezentral wird die sogenannte Arena mit Djonni Lasers Instrumenten und dem dazugehörigen Equipment bespielt. Die Idee eines Ortes der Versammlung und des Austauschs soll im Vordergrund stehen. Die Zuhörenden sitzen im Kreis auf verschiedenen Ebenen und können durch speziell ausgerichtete Lautsprecher von jeder Position aus unterschiedlich ausgerichtete Klänge in ihrer Intensität und Qualität gut erleben. Neoklassisches, teils polyrhythmisches, an „continous music“ angelehntes Klavierspiel wird mit sphärischen, Noise-Sounds untermalt und die Stimme dient mal als Geräusch, mal als Instrument. Das Klangerlebnis steht im Mittelpunkt. Resilienz soll im Gruppenprozess als bestärkender Zustand spürbar erlebt werden. Auf musikalische Weise wird sich einer emotionalen und realen Grenzerfahrung und Grenzüberschreitung genähert, um den Moment eines gemeinsamen, tiefgreifenden Prozesses zu generieren.
Performance
Eine Kassetten-Loop-Performance befasst sich mit der Erforschung der Widerstandsfähigkeit von Kassettenbändern. Es wird versucht, die Grenzen des Mediums (auf mechanischer und musikalischer Ebene) zu durchbrechen. Ich versuche einen Punkt zu erreichen, an dem sich die emotionale und schöne Ausdauer der Musik und Aufnahmen zu einem gebrochenen und harschen Klang entwickelt. Eine Performance, die ein Gefühl der Spannung erzeugt, in dem der hypnotische und kontinuierliche Klang der Wiederholung, trotz dem Zerbrechen der Aufnahmen und einem Anfall von Unbehagen, seine Schönheit bewahrt.
…am Beispiel einer lokalen Initiative gegen ein Straßenprojekt, der Ost-Umfahrung Wiener Neustadt
Der Vortrag geht von der Begriffsdefinition und allgemeinen Überlegungen zu Aktivismus und Resilienz über zu einem konkreten Projekt, wo Menschen aktiv geworden sind. Nach einem kurzen Rückblick über die Geschichte des umstrittenen Straßenprojektes und den rechtlichen Schritten betrachten wir, welche Initiativen sich gebildet haben, welche Aktivitäten gesetzt wurden und welche kreativen Inputs entstanden sind. Wir sehen uns an, wie eine Kooperation einer Bürger*innenbewegung mit Aktivist*innen funktionieren kann, welche Synergien es gibt und wo Knackpunkte oder Konflikte auftreten können.Wir berichten über Strategien und spekulieren, ob oder wo der Begriff „Resilienz“ überhaupt angewendet
kann. Durch die Beschäftigung mit diesem Projekt kamen bei den Protagonist*innen verborgene Talente zum Vorschein. Ob diese Kreativität schon den Bereich der Kunst berührt, bleibt vorerst offen.
Performative Erkundung mit Multispecies-Habitat-Interventionen
Der performative Walk thematisiert vor Ort lebende Arten wie die Leinbiene, die im Frühsommer auf den Trockenrasenflächen nistet. Ziel ist symbiotisch werden mit der Landschaft und ihrer mehr-als-menschlichen Bewohner*innenschaft; dabei regt Klee im Rahmen der performativen Erkundung an, die eigene Rolle im Ökosystem durch
Habitat-Interventionen für andere Arten neu zu erleben. Verwendet werden gelbe Tücher und Baumaterialien – wie sie für konstruktive Tätigkeiten in der Siedlungsentwicklung zum Einsatz kommen – sowie vorgefundene, nachwachsende Rohstoffe vor Ort. Menschliche Eingriffe in die Landschaft sollen thematisiert, reflektiert und neue Zugänge zu Skulptur und Landschaft erprobt werden. (Bitte gelbe Schals und Tücher aus Naturstoffen mitbringen)
Bio von Isa Klee:
Isa Klee arbeitet als Endangered Species Advocacy für intakte Biodiversität – die transformativ-forschenden, narrativen Arbeiten Klees verdichten sich um Fragestellungen zur Bewohnbarkeit der Erde: Kollektive Praxen und performative (Raum-)Prozesse sind Ausdruck eines neues Verhältnisses von Kunst, Gestaltung und Wissenschaft. Die Sorge um mehr-als-menschliche Erdbewohner:innen greift real ein in Räume. Zuletzt waren Arbeiten in der Secession Wien, dem KunstHausWien und Rotor.Contemporary in Graz erfahrbar. Isa
Klee hat Raumplanung und Raumordnung an der Technischen Universität Wien studiert und setzt transdisziplinäre Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Artenschutz und Forschung um, unter anderem im Rahmen von Öko Campus Wien.
offene Diskussion
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Quellenverzeichnis:
Adger, W.N. (2000): Social and ecological resilience: are they related? Progress in Human Geography 24: 347–64.
Folke, C., Colding, J. And Berkes, F. (2009): Synthesis: building resilience and adaptive capacity in social-ecological systems. Chapter 14 in Navigating Social-Ecological Systems Building Resilience for Complexity and Change, pp. 352-387. Cambridge University Press.
DOI: https://doi.org/10.1017/CBO9780511541957.020
Holling, C.S. (1973): Resilience and stability of ecological systems. Annual Review in Ecology and Systematics 4: 1–23.